Endlich bekam ich wieder einen Job und das ohne Leasing. Direkt angestellt zu sein gab mir ein besseres Gefühl und wieder war ich am Anfang motiviert und begeistert von der Arbeit im Chemielabor in einer Pharmafirma, aber schon nach nicht einem einen Jahr wurde mir wieder alles zu viel. Von dem Reinraum und dem sauberen Arbeitsplatz in der Mikrobiologie kam ich in ein chaotisches Chemielabor, wo mir aber die Analysen und allgemein die Laborarbeit Spaß machten. Nur für Ordnung und Sauberkeit brauchte ich Zeit und um meine Arbeit gut zu machen, aber dafür war keine Zeit. Nachdem nach kurzer Einschulung meine direkte Arbeitskollegin schwanger wurde, war ich alleine für die Abteilung Rohstoffe und Rohstoffannahme zuständig. Ich machte die Probenzüge im Lager und analysierte die unterschiedlichsten Rohstoffe, die für die Produktion von Tiermedizinprodukten und Nahrungsergänzungsmittel für Menschen benötigt wurden. Fast überall waren die Rohstoffe damit gekennzeichnet, dass diese gesundheitsschädlich sind. Gleichzeitig bin ich daheim auf Naturkosmetik und Putzmittel ohne Chemie umgestiegen, um mir und meinem Körper was Gutes zu tun. Das und der Stress, weil ich in diesem Bereich alleine arbeiten musste, weil meine Arbeitskollegin wegen ihrer Schwangerschaft nicht mehr im Labor arbeiten durfte, brachte mich wieder zum Zusammenbruch. Daheim weinte ich und konnte fast nicht mehr aufhören, weil ich nicht das zurückbekomme, was ich gebe.
Die Erlösung war schlussendlich ein Gespräch mit meiner Chefin und eine einvernehmliche Kündigung. Am Vortag schrieb ich zwei Seiten Themen und Beispiele zusammen, die mich in der Arbeit belasten und sie stimmte mir zu 80 % zu. Wie kam es nun so weit, obwohl es mir am Anfang so gefallen hat:
Meine Einschulung war “Lese” und “Mache”, mit dem ich ehrlich gesagt ein bisschen überfordert war, da ich vorher fünf Jahre fast nur in der Mikrobiologie gearbeitet habe und so gut wie keine chemische Erfahrung hatte. Meine Vorgängerin hat sich das Aufgabengebiet in den letzten sieben Jahren langsam aufgebaut und sich eingearbeitet. Sie hatte teilweise soviel Arbeit, dass sie unendliche Überstunden aufgebaut und kaum Urlaub genommen hat, trotz ihrer Erfahrung. Als ich dann da war, hatte sie natürlich viel zu wenig Zeit für eine ordentliche Einschulung und konnte sich gar nicht richtig in mich hineinversetzen, wie es ist nur wenig Ahnung von der Materie zu haben. Für sie war alles klar und logisch, für mich nicht.
Viel zu spät, erhielt ich Unterstützung nach ihrer Schwangerschaft und viel zu früh, musste ich schon eine neue Mitarbeiterin einschulen, obwohl ich mich selbst nicht einmal richtig ausgekannt habe und immer wieder Fehler lösen und ausbessern musste. Es war zwar schön und ein gutes Gefühl, wenn ich dann einmal etwas geschafft habe, aber viel schrecklicher war es für mich, wenn ich etwas nicht verstand oder vor einer schwierigen Aufgabe stand, die mir nie wirklich wer beantworten konnte.
Jeder war so mit seinem Aufgabengebiet beschäftigt, dass keine Zeit blieb für eine Unterstützung. Die anderen Mitarbeiter halfen mir zwar, wo es ging, aber kannten sich leider zu wenig aus, mir bei meinem Aufgaben zu helfen. Außerdem habe ich mich nur schwer im Labor zurecht gefunden und immer wieder länger etwas gesucht, bis ich es endlich gefunden hatte. So stapelte sich die Arbeit und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich das jemals schaffen könnte. Ich wurde ja als Unterstützung eingestellt und um zusätzliche Arbeit zu machen, die meine Vorgängerin nicht mehr schaffte und wie sollte ich dann ohne Erfahrung das alles alleine schaffen?!
Es war dann nicht nur bei mir Chaos, sondern rundherum und auch in andere Abteilungen wegen einem längeren Ausfall einer Arbeitskollegin durch einen Radlunfall. Ich konnte mir das dauerhaft nicht vorstellen, jeden Tag einen solchen Druck und einem solchen Chaos ausgesetzt zu sein. Mir fällt auf, wie mir die Arbeit in kürzester Zeit schon jetzt schadet und wie würde es dann in ein paar Jahren aussehen?! Nicht nur der körperliche Gesundheitszustand macht mir Sorgen, auch psychisch geht es mir dadurch immer schlechter. Soviel Durchfall, Nebenhöhlenentzündungen, verstopfe Nase und verweinte Augen usw. hatte ich schon lange nicht mehr.
Die einzigen Vorteile sind vielleicht meine netten Arbeitskollegen. Wir lachen viel gemeinsam und außerdem habe ich viel Neues und Interessantes gelernt. Aber die Menge der Arbeit ist unerträglich und die Tatsache, dass wir viel zu wenig Personal haben und zu wenig Platz. Es ist mir nicht möglich gut und genau zu arbeiten und ich sehe auch keine Verbesserung. Schön wenn eine Firma wächst, aber es ist nicht so schön, wenn weder Personal noch der Arbeitsplatz mitwachsen. Bei einem Workshop, den wir als Laborteam gemeinsam machten, um uns alle besser kennen zu lernen und um zu definieren, wer was machen soll, war es frustrierend zu hören, was wir theoretisch noch alles machen sollten, aber keiner wusste wirklich wie jeder das praktisch schaffen soll. Arbeit soll doch Spaß machen, aber der Arbeitsaufwand macht mir keinen Spaß, nur die einzelne Arbeiten. Ich weiß die Arbeit ja zu schätzen, aber möchte mich nicht wieder ausnutzen lassen, bis ich vielleicht wieder so überfordert bin, dass ich zusammenbreche und einen Rückfall bekomme. Dieses Chaos, die fehlende Kommunikation, die Überforderung jedes einzelnen Mitarbeiter, die Burnouts, die Kündigungen, die Personalwechsel tun mir nicht gut. Ich habe das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauert, bis alles zusammenbricht. So kann ich nicht arbeiten. Meine Gesundheit ist mir wichtig und die Rohstoffe mit denen ich teilweise zu tun habe, sind mehr als gesundheitsschädlich. Die schlechte Luft im Labor von den Lösungsmitteldämpfen oder giftigen Chemikalien und die Probenzüge werden auf Dauer meinen Körper belasten. Einmal musste ich länger mit dem Rohstoff Pentobarbital arbeiten, mit dem Tiere eingeschläfert werden. Wenn ich einen Zug nehmen würde, wäre es vorbei, das machte mir Angst. Ich würde mit diesem Job meinen Geist und Körper zerstören, also warum sollte ich mir das noch weiter antun?!
Ein Arbeitskollege aus dem Labor hatte einmal gesagt, er kann das Wort dringend nicht mehr hören, das ist schon ein Unwort bei uns. Aus Platz/Personal- und Zeitmangel kann nichts mehr auf Vorrat produziert werden und so war oft das Fertigprodukt für einen Auftrag schon dringend, obwohl der Rohstoff noch nicht einmal bestellt worden ist. Arbeiten bis zum Umfallen, dass sich der Staat die Pensionen sparen kann, das hättet ihr wohl gerne, machte ich aber nicht mit!
Eine nette Arbeitskollegin war so lieb und hat gemeint, ich sollte bitte nicht gehen, es wird nichts besseres kommen. Ich habe angeboten noch länger als die Kündigungszeit zu bleiben. Ich sehe das auch nicht als aufgeben, ganz im Gegenteil, ich möchte nicht aufgeben, mir eine Arbeit zu finden, die für mich passt und mit der ich die meiste Zeit zufrieden bin. Jetzt bin ich noch jung und bevor ich schwanger werde, will ich ein paar Jahre in einer Firma gearbeitet habe. Hoffentlich finde ich eine Firma, die mich in meinem Alter nimmt und mich endlich mal richtig zu Schätzen weiß, weil ich organisiert und fleißig bin, aber eben kein Wunderwutzi und keine Maschine!
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